Cathedrals of Sound

Anton Bruckner
8. Sinfonie

Pacific Symphony
Carl St. Clair

© Will Pruett / Pacific Symphony

Journey

Anton Bruckners 8. Sinfonie ist für sich genommen schon ein Koloss mit gigantischen Ausmaßen. Umso größer die Herausforderung, dieses Werk an einem Ort zu inszenieren, an dem es noch nie aufgeführt wurde.
Auf Einladung von Carl St. Clair entwickelten wir ein Konzept für seine populäre Konzertreihe "Cathedrals of Sound". Im Zentrum der gemeinsamen Überlegungen stand die Frage, wie man das amerikanische Publikum aus dem kalifornischen Stop-and-Go Schritt für Schritt in Bruckners Welt führen kann. Standing Ovations und begeisterten Rückmeldungen nach den Aufführungen zeigten: Aufgabe erfüllt.

Trailer

Gestaltung

Das offensichtlichste Gestaltungsmerkmal bei Cathedrals of Sound sind drei große, zueinander verschobene Leinwände. Warum nicht gleich eine große Leinwand?

Erstens geht es um Erwartung: Cathedrals of Sound soll nicht mit dem populären Format der live gespielten Soundtracks zu Hollywood-Blockbustern verwechselt werden. Es ist keine Video-Show und auch kein Reiseführer.

Wichtiger noch ist die künstlerische Gestaltung: In einer fragmentierten Welt scheint uns eine fragmentierte Bildwelt die bessere Lösung. Bildwelten können sich ergänzen, kontrastieren oder über alle drei Screens entfalten. Anstatt eine eindeutige Aussage zu treffen, überlassen wir vieles den individuellen Assoziationen der Betrachter.

© Nick & Clemens Prokop
© Nick & Clemens Prokop
© Nick & Clemens Prokop

Lobby

Wenn der Konzertsaal zur Kathedrale wird, soll die Lobby zur Kapelle werden: traditionell ein Ort der persönlichen Kontemplation. Statt der hellen Beleuchtung strahlen die Säulen, so dass auch durch die Glasfassade von aussen betrachtet der Konzertsaal seinen Charakter verändert.

Das kann nur Live: Wer das Konzert besucht, spürt unmittelbar, dass man einen anderen Raum betritt. Im Halbrund der Treppe steht eine Lichtskulptur: zwei Dreiecke, die sich beinahe zu einem Kreuz berühren. Obwohl die religiöse Konnotation gerade in diesem Fall nahe liegt, vermeiden wir jede Eindeutigkeit.

Dass das Konzept aufgeht, beweist das Verhalten der Besucher. Anstelle des üblichen Lobby-Lärms verbreitet sich eine gedämpfte Atmosphäre.

Noch vor dem eigentlichen Konzertbeginn betritt eine Mönchs-Schola den Raum und beginnt zu singen. Ungewöhnlich: In den Proben animieren wir sie, sich frei im Raum zu positionieren, anstelle der klassischen Anordnung als Schola. Der Klang verbreitet sich faszinierend anders.

Licht

Bewusst haben wir uns bei Cathedrals of Sound gegen eine starke Lichtinszenierung entschieden. Statt dessen setzen wir subtile Akzente, um Atmosphäre zu unterstützen und Veränderungen zu markieren.

Sowohl Lobby als auch zum Konzertbeginn ist die Lichtstimmung auffällig kühler gehalten: die frühmorgendliche Atmosphäre in einer Klosterkirche. So ziehen die Scholare durch den Saal ein, als wäre es eine Prozession durchs Kirchenschiff. Angekommen auf der Bühne werfen ihre Kleider Schatten, anstatt scheinbar perfekt ausgeleuchtet zu sein.

Zu den vier Symphoniesätzen Bruckners verändert sich die Stimmung und wird heller und wärmer. Das reicht, denn die Musik trägt alles Drama in sich. Es muss durch Licht nicht aktiv und kleinteilig verstärkt werden. Gleichzeitig unterstützen wir damit das Orchester, sich voll auf die Partitur zu konzentrieren.

Imagination

1. SATZ – 
ALLEGRO MODERATO

PRELUDE

Bilder aus dem Stift St. Florian als Vorspiel: Der Konzertsaal wird zur Stiftskirche. Die Leinwände werden zum Altarbild. Details aus der Kirche wechseln sich langsam ab. Die Musik muss sich ausbreiten können, aber sie wirkt wie die Ouvertüre in der Oper. Es ist eine Eröffnung. Ein Vorspiel. Noch befinden wir uns im konkret verortbaren Raum. Hier fühlte sich Bruckner zuhause.

2. SATZ – 
SCHERZO. ALLEGRO MODERATO. TRIO

DAS RINGEN

Nach dem „Vorspiel“ geht es gleich zur Sache. Musikalische Ideen formen und entwickeln sich - und fallen wieder in sich zusammen. Bruckner legt sein Material aus und erobert sich den musikalischen Raum. Ich sehe hier ganz den Organisten, der sich ein Improvisationsmotiv notiert hat und nun an seinem grossen Werkzeug sitzt, das er ganz und gar beherrscht, und mit dem er die Keimzelle immer wieder neu entwickelt. Er nimmt immer neue Anläufe (die Abschnitte sind hier ganz radikal getrennt und ziemlich präzise in Einheiten von gut zwei Minuten geteilt). Gleichzeitig weiss er: es ist nur eine Improvisation, noch nicht die grosse Komposition. Eine grosse Studie.

Bruckners Welten. Seine Inspirationsquellen. Wetter.

Die Cumuluswolke ist ein passendes Symbol für Bruckners Musik – und überhaupt für das Erfinden von Musik, die ja so wenig greifbar ist und dennoch Form und klare Konturen hat wie eine schöne Thermikwolke. Meist über dem Berggipfel beginnt sich ein kleines Wölkchen zu formen, es wächst und quillt, fällt auch wieder in sich zusammen und kann sich auftürmen zur monströsen Gewitterwolke. Sie ist in ständiger Bewegung, verändert nicht nur ihre äussere Struktur, sondern ist auch in sich in ständiger Dynamik. In der Wolke nimmt das Steigen rapide zu. Und die Sicht ab: Innerhalb von Sekunden verliere ich jede Orientierung. Auch die Zeit spielt eine Rolle für unsere Wahrnehmung: Während vom Boden betrachtet alles recht statisch aussieht, merkt man im Zeitraffer, welche dramatischen Veränderungen hier vor sich gehen.

3. SATZ – 
ADAGIO. FEIERLICH LANGSAM; DOCH NICHT SCHLEPPEND

DAS GROSSE INNEHALTEN.
DIE SAMMLUNG. DAS LAUERN.

Bruckner vertauscht die klassische Satzfolge: der ruhige Satz ergibt an dieser Stelle einen neuen Sinn. Es wird zum grossen (Un)ruhepunkt vor dem gewaltigen Finale. Es ist keine bedingungslose Schönheit in dieser Musik, auch wenn sie schwelgt. Man spürt, wie es gärt. Die nervöse Unruhe ist beinahe greifbar. Aber es ist eben auch ein Lauern auf den grossen Sprung.

4. SATZ – 
FINALE. FEIERLICH, NICHT SCHNELL

ENTFESSELUNG.

Nach der langen Beschäftigung mit dem Werk glauben wir mehr denn je: Das Finale ist die eigentliche Sinfonie, die vorangehenden Sätze sind nur ein Vorspiel, eine Vorbereitung, ein Ausbreiten des Materials und ein Vorbereiten des Raumes. Man nimmt die zwei Anläufe der ersten beiden Sätze, braucht das Innehalten im dritten Satz, um bereit zu sein für das Finale. Hier mag sich der Himmel auftun, aber gewiss stürzen keine Welten zusammen: Dafür gibt es zu viele ruhige Momente, die wie ein Echo aus dem Adagio wirken. Ich erinnere mich an die Zeit, als der alte Günter Wand von der Kritik und damit einem breiten Publikum entdeckt wurde: als einer, der aus Musik Kathedralen baut. Ich denke, das genau ist Bruckners 8. Kein Inferno. Sondern eine Kathedrale aus Musik, die sich nach oben hin öffnet wie die Kirche in St. Florian. Die buchstäblich über sich hinauswächst.

„Entfesselung“: ein Loslassen, ein Loslösen von Fesseln. Eine Ahnung. Ein neuer Blick.

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